Interview mit dem Jüngsten im Rat: Tim-Fabian Römer

Welver – Nach einem turbulenten Jahr in der Welveraner Politik sprach Nico Rading mit dem jüngsten Ratsmitglied Tim-Fabian Römer über seine Erfahrungen.

Mitte Januar hatte er für die BG das Ratsmandat von Jürgen Dahlhoff „geerbt“. Und nicht nur das: Gleichzeitig übernahm der heute 23-Jährige gleich die Fraktionsführung.

Sie sind ja mit dem Anspruch angetreten, frischen Wind in den Ratssaal zu bringen und die Sachpolitik zu machen. War das vielleicht etwas blauäugig? 

Tim-Fabian Römer: Blauäugig würde ich das nicht nennen. Das ganze Ratskonstrukt ist in Welver ja schon seit zig Jahren ein wenig festgefahren. Die Grenzen zwischen den Fraktionen aufzulösen, ist – denke ich – nicht einfach. Eine Herausforderung, aber auch machbar. Dafür gibt es auch Beispiele.

Welche? 

Römer: Wenn man sich die einzelnen Ausschüsse anguckt, insbesondere den Umwelt- Bau- und den Sozialausschuss: Da wird meines Erachtens nach super zusammen gearbeitet. Beim Grünen-Antrag zur Anschaffung von Defibrillatoren haben alle gesagt „Das ist eine super Sache“ und auch wir haben das unterstützt. Antrag stellen lassen, gemeinsam weiterentwickeln und zu einem guten Ergebnis bringen, so soll’s laufen. Oder unser Antrag zur OGS-Erweiterung in Welver: Der wurde in sämtlichen Ausschüssen besprochen. Es kamen Anregungen von anderen Fraktionen, was man vielleicht besser machen könnte. So kann man zu einem Kompromiss kommen, wie man das ganze nach vorn bringt. Das hat in meinen Augen funktioniert.

Und das Ergebnis lautet?

Römer: Wir haben Borgeln mit ins Blickfeld genommen. Dort gibt es noch keine OGS, aber die Fördermittel sind da. Die Frage „Warum sollen wir sie vor dem Hintergrund Vereinbarkeit Familie und Beruf nicht sinnvoll verwenden?“ wurde in den Ausschüssen gut diskutiert.

Es gibt aber auch noch einen Hauptausschuss und einen Rat… 

Römer: Da geht es natürlich oft ums Schaulaufen, nach dem Motto „Wir sind die Mehrheit“. Das gehört natürlich auch dazu. Ich habe das bei unserem Antrag zum Thema Wirtschaftswegebau erlebt. Ich nehme das sportlich.

Sie fühlen sich nicht persönlich getroffen?

Römer: Nein. Jeder fährt natürlich auf seiner politischen Schiene, die will jeder umsetzen. Das war vermutlich der Hintergrund, warum mein Antrag (zum Wegebau, d. Red.) zum Antrag von SPD, Welver 21, FDP und Grünen umfunktioniert wurde. Man hätte das schöner lösen können, keine Frage. Aber jetzt ist es nun mal so gelaufen. Mund abwischen und dann geht’s weiter. Wichtig ist, auch, wenn man auf politischer Ebene auf Konfrontationskurs ist, dass man sich nach dem Verlassen des Ratssaales noch in die Augen gucken kann. Und dass man außerhalb auch einmal über andere Sachen als Politik reden kann.

Klappt das in der Realität? 

Römer: Doch, ich finde ganz gut. Ich habe über Fraktionsgrenzen hinweg Kontakt – auch wegen meiner Vereinsarbeit in Schwefe und anderen Orten wie Klotingen oder Recklingsen.

Es gibt ja Räte, die vor Weihnachten gemeinsam Essen gehen. In Welver ist das momentan undenkbar.

Römer: Vielleicht wird das ja noch nachgeholt.

Das Klima wirkt nicht gerade kuschelig, möglicherweise auch ausgelöst durch die Ernennung des Beigeordneten Camillo Garzen als Bürgermeisterkandidat von SPD, Welver 21, FDP und Grünen für 2020. 

Römer: Wir haben mit Herrn Garzen einen Beigeordneten bekommen, der seine Arbeit solide und gut macht. Aber ich finde es tatsächlich ein bisschen schwierig, wenn man schon drei Jahre vor der Wahl den Wahlkampf ausruft. Die Verwaltungsarbeit kann so nicht so stattfinden wie sie sein sollte. Normalerweise sollte der Beigeordnete die rechte Hand des Bürgermeisters sein. Das wird jetzt schwierig.

Gibt’s denn auch einen Lichtblick für Welver? 

Römer: Wir haben die Finanzen im Griff. Gut ist auch, dass wir Fördermittel anzapfen können. Wir können gestalten, bekommen etwas, müssen dafür aber selbst nichts ausgeben. Das ist beim Thema Breitbandausbau so. Aber auch vom Programm „Gute Schule 2020“ profitieren wir. Weitere Möglichkeiten bieten sich durch Kommunalinvest mit knapp 500 000 Euro. Damit kann man schon viel machen. Der nächste mögliche Schritt ist ganz klar die Steuern zu senken. Dies muss spätestens im kommenden Jahr erfolgen, sofern die finanzwirtschaftliche Entwicklung so bleibt.

Welver schickt gerade noch pünktlich zum Stichtag 31. Dezember ein Abwasserbeseitigungskonzept zur Bezirksregierung nach Arnsberg. Ausgenommen sind darin die Sonderentwässerungsgebiete Klotingen, Berwicke, Einecke und Stocklarn. Was halten Sie von diesem Ergebnis?

 Römer: Wir haben dazu ja schon ein deutliches Schreiben vom Regierungspräsidenten aus Arnsberg bekommen. Grundsätzlich finde ich Kleinkläranlagen sinnvoll. Allerdings gibt es längst ein rechtskräftiges OVG-Urteil, das diese Lösung unmöglich macht. Daraus leitet sich eine Verantwortung ab.

Deshalb haben Sie mit der CDU dagegen gestimmt.

Römer: Wir leiten ab dem 1. Januar rechtswidrig Abwasser ein. Deshalb hat die BG eine namentliche Abstimmung im Rat unterstützt. Ich finde es wichtig, dass man irgendwann einsieht, dass der eingeschlagene Weg nicht weitergeht. Sonst gibt man zehntausende Euro für Rechtsstreitigkeiten aus. Es muss jetzt ein Umdenken geben.

Wäre eine Kanallösung nicht ziemlich teuer? 

Römer: Wir haben eine Gebührenkalkulation für Abwasser. In die würden dann die betreffenden Ortsteile integriert. Die Gebühren würden sich im Ergebnis kaum ändern. Was die Leute viel mehr bedrückt, ist der Kanalanschluss. Der Ansatz muss lauten, diese Kosten in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Fachleute gibt es zu diesem Thema genug, welche man zu Rate ziehen kann; dies vor dem Hintergrund, dass die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung dahingehend verändert werden muss, dass bei dieser die Bürgerfreundlichkeit gesteigert werden muss und gegebenenfalls eine Sonderregelung für die vier Sonderentwässerungsgebieten ab einer bestimmten Veranlagungsgröße erfolgen muss. Wir sind ja nicht die einzige Kommune, die diese Probleme hat.

Was erwartet uns sonst noch im kommenden Jahr?

Römer: In Welver wird sich einiges verändern. Das Städtebauliche Entwicklungskonzept, das wir inzwischen unterstützen, läuft an. Es wird viel in den Schulen passieren– vor allem vor dem Hintergrund Digitalisierung – und auch beim Thema Feuerwehr muss etwas geschehen. In meinen Augen steht ein Neubau am Standort Schwefe an. Im Moment steht da nur eine alte Garage. Ein Gebäude mit zwei oder drei Toren wäre notwendig. Wir haben mit 90 000 Euro für Planung und Grunderwerb kalkuliert. Der Betrag wurde auf 20 000 runtergefahren. Das macht keinen Sinn.

Gibt’s Wünsche für die Arbeit im Ratssaal? 

Römer: Ich finde, dass noch mehr Jüngere in den Rat gehören. und Ältere dafür Platz machen sollten. Ich bin der Meinung, dass die Jugend als „unsere Zukunft“ auch selber über ihre Zukunft entscheiden soll und bei dieser Arbeit durch die Erfahrungen von Älteren profitieren können. Das würde im Zusammenspiel ein gutes Ratskonstrukt in der Art eines Mehrgenerationen- Rates bewirken. Es ist an der Zeit, dass einige der Älteren Platz machen für jungen und frischen Wind. Jürgen Dahlhoff hat ja schon damit angefangen. Bei der CDU zeichnen sich ähnliche Entwicklungen ab.

Quelle: https://www.soester-anzeiger.de/lokales/welver/bg-mann-erbte-posten-juergen-dahlhoff-9469681.html